Ich habe einen Bruder, der seit Jahren in Bethel bei Bielefeld wohnt. Er wohnt in einem „betreuten Wohnen“. Das heißt, er hat ein Zimmer in einem Haus, in dem mehrere Bewohner zuhause sind und betreut werden. Sein komplettes Leben spielt sich in seinem Zimmer ab. Er baut gerne Modelle und sein ganzes Zimmer hängt voll Flugzeugen. In Regalen an den Wänden sammelt er Schallplatten, CDs und Bücher. Alles, was er braucht, hat er in diesem einen Zimmer. Und ab und an kommt ein Betreuer und bringt Medizin, Essen oder kommt auch einfach mal zum Sprechen vorbei. Er hat alles, was er braucht und vor allem staune ich oft über sein einfaches Gottvertrauen. Er ist einfach mit dem, was er hat, zufrieden. Trotz der vielen Einschränkungen, die er gesundheitlich hat und obwohl ihm nur ein eingeschränkter Raum zur Verfügung steht. Er liebt es, besucht zu werden. Allerdings ist es manchmal etwas schwierig einen Platz im Zimmer zu finden. Oft kommt auch Besuch aus Bethel. Wer Bethel bei Bielefeld noch nicht kennt, kann das gerne mal googlen. (Das Wort Bethel kommt aus dem Hebräischen und heißt „Haus Gottes“. Unser Name ist gleichzeitig Leitmotiv unseres Handelns. Jeden Tag setzen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das christliche Gebot der Nächstenliebe in die Tat um – in Berlin, in Bielefeld und an vielen anderen Orten. Quelle: https://www.bethel.de/ueber-bethel/das-ist-bethel)
Auch mein Bruder glaubt an Gott und setzt nach seinen Möglichkeiten diesen Glauben in die Tat um. Viele Freunde aus seinem Umfeld kommen einfach kurz ins Zimmer und fragen: „Betest du bitte mal für mich? Mir geht’s grad nicht gut.“ Dann betet er kurz und die Besucher freuen sich und gehen nach ein paar Minuten wieder weg. Ich habe das schon einmal mitbekommen und war echt überrascht. So einfach ist das? Ich frage und er tut? Vielleicht ist ein Teil seiner Krankheit, dass er keine Hemmungen hat. Etwas anstrengend manchmal, aber für ihn und die Besucher richtig angenehm. Vieles, wo wir uns scheuen das zu tun, macht meinen Bruder für mich zum Vorbild in manchen Dingen. Neulich hat eine Freundin erzählt, dass er im Gottesdienst laut gebetet hat: „Hallo Gott, wie geht es dir eigentlich heute?“ Worüber wir grinsen, weil wir denken, so kann ich doch nicht beten, war für ihn selbstverständlich. Während ich sofort mit meinem Lob und Bitten anfange und los rede, fragt er erst einmal, wie es Gott wohl geht. Das habe ich noch nie gemacht. Ich frage mich das nicht mal.
Wie definierst du Zufriedenheit im Leben? Was macht dich zufrieden?
Mir ist das ein Vorbild: Besuch empfangen, beten, basteln und zufrieden sein, mit dem was ist. Vielleicht sind wir, die wir allein klar kommen auch manchmal den sogenannten „Schwächeren“ in vielen Dingen unterlegen. Wir sorgen für uns selbst, wir sind viel allein unterwegs und wir stehen in Beruf, Familie und Alltag für uns selbst ein. Doch Zufriedensein mit dem Leben? Bin ich das? Mit all dem um mich herum, was ich auch bewältige?
Wir erklären oft so viel, wie uns Gott bei Problemen „durch“ hilft, das tut er auch. Aber er sehnt sich danach, dass wir unser ganzes Leben mit ihm teilen. Also auch die Freuden und Segen und schönen Dinge. Auch wenn wir vollkommen zufrieden sind, freut er sich auf ein Gebet. Denn Gott will die Verbindung mit uns halten, auch wenn wir gerade zufrieden sind und keine Probleme haben. Ihm geht es darum, dass wir unser Leben mit ihm teilen. Ich nehme von meinem Bruder auf jeden Fall den Satz: „Hallo Gott, wie geht’s dir heute?“ mit.
Ich wünsche dir eine gute Verbindung zu unserem Vater im Himmel
Astrid
P.S. Das Bild ist aus dem Westfalenblatt vom 20.6.2024 Lokaler Bielefeldteil