Was für ein interessantes Wort. Kintsugi. Es hat übersetzt die Bedeutung „goldene Verbindung“ und ist eine traditionelle japanische Reparaturmethode.
Oder vielleicht auch mehr als das: eher eine Kunst, aus zerbrochenen Teilen von Keramiktassen, -schalen oder -vasen wieder funktionierende Gefäße herzustellen, denen man den Zerbruch zwar ansieht, die jedoch durch die Vergoldung der Bruchlinien wunderschön werden. Es ist die Kunst, aus Zerbrochenem wieder ein Ganzes herzustellen.
Wie du in meinem Bild oben schon sehen kannst, sieht das Gefäß wertvoller und wunderschön aus, und zwar gerade durch die vergoldeten Narben. Und das wurde für mich an einem Wochenende im Oktober zu einem besonderen Bild und Erlebnis, dass ich heute gerne mit dir teile.
Keines unserer Leben ist wirklich gradlinig. Jede(r) von uns hat schon „Zerbruch“ erlebt. Dinge, die schwer sind im Leben, ein Trauerfall, ein Verlust, eine Krankheit, ein Beziehungsende, eine Kündigung, ein Erlebnis, dass das Leben in ein „davor“ und „danach“ teilt.
Etwas ist zerbrochen – anders oder es scheint untragbar. Auch mit Gott und Jesus an unserer Seite, mit einem festen Glauben, der trägt, passieren solche Dinge. Wir können es uns nicht erklären. Es macht uns unsicher und traurig und wir kommen da nicht einfach so heraus. Unser Vertrauen in Gott wird erschüttert.
Doch diese Narben unseres Lebens können uns nicht „unbrauchbar“ machen. Sie sind da und gehören zu uns und sind ein Bestandteil eines jeden Lebens. Wir wollen Narben gerne verstecken und sehen sie als Makel. In unserer Leistungs- und Wegwerfgesellschaft sind zerbrochene Dinge schnell im Mülleimer. So ist unsere eigene Einstellung zu unseren Narben wichtig. Wichtig ist, wie wir damit umgehen, wie wir uns damit beschäftigen, wie wir eventuell auch mit guter, professioneller Hilfe da wieder herauskommen. Und wie auch Gott unsere Wunden heilen und mit seiner Liebe unseren Narben eine goldene Schönheit verleihen kann.
Das Wochenende stand voll unter diesem Thema und die Referentin Katja Zimmermann wies uns auf die unterschiedlichen Phasen hin, die mit dem Zerbruch einhergehen:
- Zerbrechen
- Kleben
- Ruhen
- Wiederherstellen
- Vergolden
Es ist natürlich für mich kaum möglich alles in diesem kleinen Artikel zu beschreiben, was wir an den 3 Tagen gehört haben. Dennoch will ich auf ein paar Dinge hinweisen, die mich besonders beeindruckt und nachhaltig ermutigt haben.

1) Zerbrechen: Zerbrüche lassen sich einfach nicht vergleichen. Ich kann einen scheinbar gleichen Zerbruch erleiden, zum Beispiel, den Verlust meiner Mutter, und dennoch ist der Verlust der Mutter bei jemand anderem ein völlig anderer Zerbruch. Also ist es sehr gewagt, inmitten eines Verlustes zu jemandem zu sagen, „Ich weiß, wie du dich fühlst, das habe ich auch schonmal durchgemacht“. Schwierig, oder?
Oder wie unterschiedlich sind auch die Erfahrungen mit einer Krankheit. Auch, wenn ich schon erlebt habe, wie mich eine Krankheit aus meinem normalen Leben „herauskegelt“ (habe ich gerade Mitte August erlebt), hilft es mir nicht, wenn ich gesagt bekomme: „Das wird schon wieder…“. Ein Zerbruch ist immer individuell und wird auch immer unterschiedlich wahrgenommen.
2) Kleben: In dem Prozess des Lebens gehe ich damit um, wie ich die Scherben des Zerbrechens anschaue und dann wieder behutsam zusammensetze. Was mir dabei wirklich hilft in meiner Situation, ist die feste Zusage Gottes, dass er mich sieht. IMMER – IN JEDER SITUATION. Das spüre ich vielleicht nicht immer, aber Gott ist ein Gott der Liebe, er stellt mir Menschen zur Seite, Ärzte und kompetente Fachleute und einfach auch Freunde, die sich freundlich und liebevoll erkundigen und für mich beten. Und die Gebete von Menschen, die mich kennen, tragen mich vielfach durch schwere Situationen durch und helfen beim zweiten Schritt dem Kleben. Die Scherben werden durch eine Masse wieder „gekittet“, es wird nicht wieder so wie vorher, die Lücken müssen mit etwas anderem gefüllt werden. Im Prozess des Klebens ist es wichtig, dass ich meine Hoffnung nicht aufgebe, denn auch wenn ich nachher anders aussehe, als ich mir das vorgestellt habe, werde ich wieder ein brauchbares Gefäß.
3) Ruhen: Zum Ruhen gehört auch bei verschiedenen Zerbrüchen viel, viel Zeit. Die Zeit haben Verwandte und Freunde oft nicht. „Langsam musst du doch wieder ins normale Leben kommen“, oder „Zeit heilt alle Wunden“ oder „es ist jetzt doch schon so lange her…“ sind Sätze, die in der Zeit des „Ruhens“ nicht helfen, sondern eher trennen.
Als Begleiter brauchen wir die Weisheit, Menschen in Ausnahmesituationen liebevoll zu begleiten. Zuhörer sein, nicht Ratgeber und geduldiges Warten auszuhalten. Beten für die Betroffenen im Stillen. Denn Heilung braucht Zeit.
Als Betroffene brauchen wir Menschen, die barmherzig sind mit uns, die uns guttun. Die auch einfach mal nur dasitzen und nichts sagen, vielleicht im Stillen für uns beten. Einfach nur da sind. Vielleicht auch mal einen Kaffee mit uns trinken oder spazieren gehen. Der Schwerpunkt ist einfach: DA SEIN. RUHIG. AUSDAUERND. Was passiert bei dir, wenn du ruhst? Kannst Du Stille aushalten? Gott spricht uns zu in Matth. 11,38:
Kommt alle her zu mir, die ihr euch abmüht und unter eurer Last leidet. Ich werde euch Ruhe geben.
Matthäus 11,38
4) Wiederherstellen: Das Wiederherstellen ist ein Akt, der unterschiedlich ausgeprägt ist und viel auch mit Vergebung zu tun hat. Manche Zerbrüche sind durch Streit oder starke Konflikte entstanden. Beim Verlust eines Menschen können Dinge zurückbleiben, die nicht geklärt sind. Bei Beziehungsende sind oft Verletzungen entstanden. Bei anderen Zerbrüchen sind vielleicht zwei Menschen zerbrochen und es ist Schuld und Verletzung passiert. Was kann ich als Betroffener tun? In der Bibel gibt es einen Vers der da heißt: So viel an euch liegt, haltet Frieden mit jedermann! Und an anderer Stelle steht: Vergebt einander, so wie ich euch vergeben habe. Es gibt viele Stellen darüber, wie heilsam Vergebung ist und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Vergebung sogar noch funktioniert, wenn der Verlust eines Menschen schon passiert ist. Ich konnte beispielsweise meiner Mutter noch nach ihrem Tod manche Dinge, die mich verletzt haben, vergeben und bin dadurch „wiederhergestellt“ worden. Ich habe mir bewusst gemacht, was mich tief verletzt hat und ihr im Nachhinein bewusst vergeben. Dass, was dann entsteht, ist ein Wunder und hat mit dem letzten Schritt „vergolden“ zu tun.
5) Vergolden: Durch die Vergebung, die ich den Menschen zuspreche, die mich verletzt oder enttäuscht haben, werde ich einfach dankbar für die Menschen um mich herum, die zu mir stehen, die da sind, die mir Gott auch als Ermutigung in den Weg stellt. Vergebung macht frei und der schwierigste Schritt von allen, der aber meiner Meinung nach am wichtigsten ist und immer auch wieder meine Narben wirklich vergoldet, ist die Vergebung für mich selbst. Auch ich bin imstande mir selbst für falsches Verhalten oder meinen Teil am Zerbruch zu vergeben. Dann erst werden die Narben vergoldet, denn dann werde ich innerlich wieder frei und sicher in mir selbst. Ich habe das selbst erlebt und ich glaube, dass jeder Zerbruch einen Menschen prägt und dass es wichtig ist, damit umgehen zu lernen. Eine Narbe, die vergoldet ist, zeigt, dass Heilung stattgefunden hat.
Ich habe aus dem Wochenende sehr viel mehr mitgenommen, als ich hier versucht habe in Worte zu fassen. Es lohnt sich auf jeden Fall einmal zu schauen, wo sich bei dir noch Narben befinden, die noch nicht vergoldet sind, die vielleicht gerade erst entstanden sind oder noch so frisch, dass sie gar nicht verheilen. Nimm dir Zeit. Umgib dich mit Menschen, die geduldig und freundlich sind und vertraue darauf, dass deine Heilung eine unbestimmte Zeit benötigt. Gott sieht deine Situation und er wartet darauf, dass du dich ihm anvertraust und ihn um Hilfe bittest. Er ist immer da, auch in deinem Zerbruch. Er ist in deinem Prozess die einzige Konstante. Es gibt in der Bibel nahezu kein Lebenslauf von Propheten, Königen oder Priestern, die ohne Schwierigkeiten oder Zerbrüche waren. Sie haben dennoch immer zu Gott gerufen und teilweise auch geschrien, um auf sich aufmerksam zu machen. Das Vertrauen auf Gott in schwerer Situation wird dir den Weg zeigen, den du gehen sollst und dich behutsam in die Heilung führen. Er ist ein guter Hirte, der für jeden seiner Schafe sorgt und sie durchträgt. Vertraue!
Es ist nicht die Zeit, die alle Wunden heilt,
Zitat von Alexandra Hoover
es ist die Zeit mit Gott, die das bewirkt.
Ich wünsche dir für dein Leben ein sicheres Vertrauen in unseren Herrn und Heiland Jesus, der den Weg zu Gott frei gemacht hat und unsere gesamte Schuld getragen hat. Dadurch wird dein Leben nicht einfacher, aber du hast eine sichere Zukunft und einen Halt, der dir Sicherheit in dieser unsicheren Welt gibt und dich für die schweren Zeiten ausrüstet.
Gottes Segen für dich
Astrid
Man kann auf YouTube auch einen Film zu Kintsugi ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=b4g4hm2UtBs&t=41s
Oder weiteres zu Katja Zimmermann: